Sonntag, 23. November 2008

Vom Plattenknicken - Ricky King: Knicks knacks


Bei Mono Michalke (links) und Franky Fuzz (rechts) haben Schallplatten (Mitte) ein Haltbarkeitsdatum. Bei ihrer Auktion Destruktion sterben Schallplatten oft noch vor ihrem Refrain.
Das geht so: Franky Fuzz und Mono Michalke, zwei Berliner Singles-Sammler sitzen gemütlich auf einer kleine Bühne in der Bar „Kollage“, schlagen die Beine übereinander und spielen auf sehenswerten alten Plattenspielern mitgebrachte Singles ab. Sobald das Lied in alter Mono-Qualität aus den Lautsprechern rauscht, kann das Publikum Gebote abgeben. Interessiert sich niemand für die Scheibe, wird die Platte zerstört.

Ha, das machen die nie“, denkt man sich. „Ein Plattensammler würde nie eine Single zerbrechen. Der weiss doch, dass der letzte Schrott bei Ebay noch für 18 Euro weggeht.“ Erste Platte: Roger Whittaker´s Song "The last Farewell". Nach einem letzten Blick in´s schweigende Publikum nimmt Mono Michalke eiskalt die Single vom Plattenteller, knicks knacks - vier Plattenscherben segeln von der Bühne - direkt vor die Füsse des geschockten Publikums. Das zerknüllte Plattencover hinterher - die machen ernst.

Aber Plattenretten ist leicht. 10 Cent sind das Mindestgebot. 20, 30 Cent, für kleines Geld kann man Singles ein Asyl geben. Und dann staunt man: 1 Euro für die Bay City Rollers, plötzlich ist ein Heidenspass in der Bude. Das Publikum erkennt sich selbst nicht mehr. Die seichtesten Popsongs wecken tiefe Erinnerungen. „I just called, to say I love you“ von Stevie Wonder will von fast allen gerettet werden und geht erst beim Schlussakkord für 2,80 Euro weg. Was Mono Michalke und Franky Fuzz aus ihren Flohmarkt-Koffern zaubern ist äußerst überraschend. Unvorhersehbar auch die Vorlieben im Publikum: Die „Polonaise“ von Gottlieb Wendehals wird gerettet, ebenfalls Didi Hallervordens „Du, die Wanne ist voll“. Tolle Songs aus den Sechzigern, finnische Tänze, seltene Coverversionen von erfolglosen Liedern - haben nur Dank eines Publikums im Rettungsrausch die Auktion Destruktion überlebt.

Ricky King dagegen, ewig lächelnder Hohepriester des Kitschinstrumentals auf der Stratocaster. Knicks knacks. Kommt auf den Haufen der Platten, die man knicken kann. So siehts am Ende vor der Bühne aus.

Ende Januar bringen Mono Michalke und Franky Fuzz ihre Flohmarktkoffer voll neuer alter Singles mit und stöpseln ihre Plattenspieler an. Wer retten will - Berlin, Yorckstrasse 22. Kollage.

5 Kommentare:

Ezzelino hat gesagt…

Eine Platte zerbrechen?!
Echtes Vinyl?
O welche Grausamkeit...

Eigenhund hat gesagt…

das ist ja auch eine weit verbreitete und nachvolziehbare Grundhaltung. Hier aber bei der Auktion Destruktion wird man Zeuge eines Paradigmenwechsels, der fühlbar von aussen nach innen wandert, und von Philosophen viel besser erklärt werden kann.

Ezzelino hat gesagt…

Ja, bestimmt für die Teilnehmer: die Augen- u. Ohrenzeugen dieser Barbarei. Auch für jene, die wie ich davon erfahren. Doch für einen veritablen Paradigmenwechsel im Sinne Kuhns (darauf, nehme ich an, spielst Du doch an?) bedarf es wohl einer ganz anderen Öffentlichkeit. So trifft die Schockweihe wohl ohnehin nur jene, die schon von vornherein reines Herzens und reiner Ohren sind.

Unknown hat gesagt…

Mein lieber Ezzelino.
Lass dich drücken. Ich verstehe zwar nicht ganz, was du damit sagen willst. Aber du sprichst mir aus dem Herzen.

Test hat gesagt…

es ist immerhin eine Denkstilverschiebung im Sinne Fleks erkennbar