Samstag, 1. November 2008

Indianerschlüssel Ju fu !!!


Das Handy meiner Freundin R. klingelt. Ihr Verehrer P. mache sich noch auf den Weg, er komme mit dem Fahrrad, es dauere nicht lange. R. erzählt mir von P. Er sei Peruaner, ein echter Indianer in ihren Augen. Auch komisch zwar, aber er verbreite immer gute Stimmung.

Es klingelt, meine Freundin R. steht unter der Dusche, ich drücke den Knopf und öffne somit das Tor im Vorderhaus. Lange passiert nichts, ich lehne mich aus dem Fenster und sehe, wie ein dunkler Schatten mit Fahrrad wieder den Hof verläßt. Später klingelt es wieder. Diesmal ist P. tatsächlich angekommen und erzählt, er habe den Schlüsselbund verloren. Ein rotes Che Guevara Schlüsselband mit wichtigen Schlüsseln. Er ist ganz geknickt, lacht aber trotzdem. Tatsächlich erinnert er an einen Indianer. Die Haare sind schwarz und lang, fallen aber nirgend wohin, weil sie auf dem Kopf zu einem Knoten zusammengespillert sind, wie bei einer Kannibalen-Karikatur.
An der Seite über den Ohren sind die Haare jedoch ganz kurzrasiert, in den Ohren reihen sich bunte Ringe. P lebt von der Herstellung von Schmuck und dessen Verkauf.
Der Ladenschlüssel sei der teuerste in der Wiederbeschaffung, meint er.
Meine Freundin R. erscheint schon im Schlafanzug, sie ist gross und blond und überragt ihren Verehrer um zwei Köpfe.
Ich habe eben eine Lieblingsflasche Schwarzriesling entkorkt und nach dem ersten Glas bin ich in Helfer-Laune: Ich biete ich ihm an, zusammen mit dem Auto die ganze Strecke abzufahren und seinen Schlüssel zu finden. Ein unerschütterlicher Optimismus hat mich gepackt, ich zerrede alle Zweifel und schiebe P zur Tür, wobei ich ihn noch ermuntere, die Flasche Wein mitzunehmen.
Wir fahren los. Es regnet und es ist dunkel, ich bin müde und kenn mich nicht aus. P. ist ein lausiger Lotse. Immerzu giesst er sich Wein nach, und redet auf mich ein, in einem Deutsch, wie wenn einer Schlitten fährt, ohne zu wissen wie man bremst. Ein wenig verstehe ich dennoch. Von kalten fühllosen Deutschen erzählt er, während ich frage: Rechts? Links? Geradeaus? Wir verfahren uns.
Endlich sind wieder auf der richtigen Strecke, ich schalte in den zweiten Gang hinab. Im hellen Licht der Nebelscheinwerfer suchen wir die Strassenränder ab. Meine Augen flitzen über den nassen Asphalt, jeden Moment muss das rote Che Guevara Band doch aufleuchten, da im Herbstlaub, neben den parkenden Autos und Bordsteinen.
P erklärt, er wolle unbedingt ein Mensch bleiben, weshalb er sich von Gefühlen dominieren lässt. Dann bemerkt er, dass er schon sehr betrunken sei, sonst trinke er nur Bier. Während meine Augen am Strassenrand kleben, sucht er auf der fast leeren Flasche nach dem Wert für die Alkoholstärke. 11,5 Prozent sage ich, nach einem schnellen Seitenblick aufs Etikett, und trete auf die Bremse, aber es war nur eine leere Marlboroschachtel. Ich finde es durchaus legitim, seine Gefühle soweit zu kennen, um sie dosiert an seine Mitmenschen abzugeben. Eine Form von Respekt sei dass, doziere ich. P. will lieber morgen weiter suchen. Er glaube nicht, dass wir noch was finden, dabei haben wir gerade erst angefangen. In dieser Phase ein `Manana´, das lasse ich nicht zu. Meine Durchhalteparolen und Motivationssalven findet er grossartig: er sieht mich an (ich sehe auch die Strasse!) legt mir die Hand auf die Schulter und sagt: "Dass du so positiv denkst, dass finde ich grossartig." Er nennt mich Companero. Ich fühle mich geehrt. Freund der Indianer. Als erste Freundespflicht ermahne ich ihn, die Flasche Schwarzriesling nicht ganz leerzutrinken, damit er erstens noch suchen kann, und ich zweitens auch noch was davon abkriege - denn: am Steuer trinken, kommt nicht in Frage.

Später sitzen wir wieder bei meiner Freundin R, sie schläft längst, aber P. mein Indianer-Freund und ich teilen uns den Rest Rotwein. Den Schlüssel haben wir nicht gefunden.

Zwei Tage später bekommt meine Freundin R. eine SMS: "Habe Schlüssel gefunden! Ju fu! Ju fu! Ju fu!!!"
So jubeln Indianer.

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