Dienstag, 19. Mai 2009

Vom Falzküssen


Das Foto ist nur zufällig gewählt. Es gehört zur Infoscoreforderungsmanagement GmbH- Geschichte, die ist eng verknüpft mit den Berliner Verkehrsbetrieben, einem ungestempelten Fahrschein und einem Kontrolleur. Mit Falzküssen hat es nichts zu tun. (Obschon jeder ausgedörrte Mensch im Frühling mühelos reizvolle Bezüge herbei phantasieren könnte.)

Falzküssen kam anders.

Seit Wochen liegt ein Schreiben auf meinem Tisch, "an prominenter Stelle", würde ein Webdesigner sagen. Es lag immer zuoberst, denn es war wichtig und unerledigt. Eine Bescheinigung der Krankenversicherung war gefragt, über tatsächlich gezahlte Beiträge im Jahr davor. Zu erledigen bis... na ja ...noch Zeit. Bis heute. Fristende morgen.

Bestimmt hatte ich die Bescheinigung irgendwann mal gekriegt, aber wo suchen?
"Im Ordner mit den Unterlagen der Krankenversicherung", schießt es mir durch den Kopf. Der Ordner ist da, darin alles chronologisch geordnet - aber nüscht. Auch eine zweites Mal durchblättern hilft nichts. Meine Krankengeschichte des letzten Jahres wird wieder akut, aber die Schweißausbrüche jetzt haben einen anderen Infektionsherd. Das Schreiben an prominenter Stelle.

Vielleicht bei den Steuerbelegen? Ich nehme den dicken braunen Umschlag aus dem Ablagefach. Aus der Öffnung quellen die geknickten verblaßten Tankbelege, Telefonrechnungen, Mahnungen. Alle Ausgaben des letzten Jahres. "In diesem Umschlag seid ihr auf ewig verbunden, bis die Steuerfachgehilfin euch scheidet", denke ich, und versuche nicht auch noch an die ausstehende Steuererklärung zu denken.
Ich setze mich aufs Sofa (besser man sitzt schon, wenn man die Steuer in die Hand nimmt) und lasse den Beleg-Klumpen aus dem Umschlag gleiten. Erstmal vorsichtig stochern, wenn es beim Lotto (6 aus 49) schon nicht klappt, vielleicht jetzt (1 aus 700) ?
Und? Langsam gewinnt der Titel dieses Blogs an Sinn - nach nicht einmal einer Minute rutscht aus dem Haufen ein gefaltetes Schreiben - ein bekannter Briefkopf und - Bingo! Die gesuchte Bescheinigung. Ich bin gerettet !!!

GERETTET!!!

Wie eben noch die Belege aus dem viel zu kleinen braunen Umschlag herausgequollen sind, drängt nun reine Freude und Dankbarkeit aus mir heraus: Ich hebe die Bescheinigung hoch und küsse sie spontan an die prominenteste Stelle - den weichen schmiegsamen Falz.

So kam es zum Falzküssen.

Eine viel zu selten praktizierte Zeremonie.
Wie viele Höhen unserer bürokratischen Landschaft ließen sich damit genußreich zelebrieren und in wie vielen Tiefen würde durch die Aussicht auf neuerliches Falzküssen ein hoffnungsvolles Licht schimmern?

1 Kommentar:

Test hat gesagt…

Schön zu wissen, dass Sie so vergnügte Momente mit Ihrer Korrespondenz verleben!